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Wie ein Delfin im Bassin

Aus den Lautsprechern in den oberen Ecken des vom Rauchdunst getrübten Raumes dröhnte Musik, die mir, wenn ich ehrlich gewesen wäre, nicht besonders gefiel, weil sie Tag für Tag und Jahr um Jahr in Dauerschleife im Radio lief. Stumm saß ich am selben Tisch wie am Samstag davor und den Samstagen davor, umgeben von immer denselben hübsch verzierten Masken, die ich nach nur dreiundsechzig Tagen, vermeintlich und etwas übereifrig, als meine Freunde bezeichnete. Gewohnheit ist eine heimtückische Lebenspartnerin, schleichend und überaus klammernd. Dialoge trieben an der Oberfläche in zu vielen, zu warmen halb- und viertelvollen Biergläsern, wo ungelebte Träume mit letzter Kraft nach Luft schnappten, manche davon schon vergessen oder verlassen.


Meine Augen spähten neugierig durch die grau verschleierten Seelenfenster, hinter denen sich lautlos schreiende Sehnsüchte verbargen, während sich die tatenlose Suche nach dem Leben und der Liebe allmählich in Sucht verwandelte und regelmäßig mit Alkohol getränkt wurde. Gedankenverloren schaute ich in mein fast volles Glas. Kein Schaum war mehr an der Oberfläche. Mein Blick tauchte in die gelb durchsichtige Flüssigkeit, die mir schon längst übel aufstieß. Kurzerhand entschied ich mich, den Sand am Meeresgrund ein wenig aufzuwühlen. Vielleicht entdeckte ich ja doch irgendwo zwischen lebensmüdem Rauch, kleinen Egos und großen Mäulern einen Sinn, wenn nicht sogar einen Gleichgesinnten.

Kaum hatte ich den Entschluss gefasst, platzte ein Satz ungehalten aus mir heraus, so als hätte er bereits lauschend hinter der Tür gewartet, aufgerufen zu werden, um sich endlich zu zeigen – mich zu zeigen:

„Ich glaube, wir wissen alle noch nicht, wer wir wirklich sind.“


Dieser kleine mutige Satz, der nun etwas unbeholfen und allein im Raum stand, wurde erstmal misstrauisch angeglotzt, bevor primitive Laute, überhebliches Gelächter und unbedachte sowie unbewusste Reaktionen den Kleinen von der Bühne jagten. Selbstgefällig posaunten die größten Mäuler mit den trübsten Fenstern:

„Natürlich weiß ich, wer ich bin. Ich bin doch nicht verrückt!“

Überrascht, etwas traurig und verunsichert lehnte ich mich zurück in meinen Stuhl, ließ mich sinken und machte mich so klein wie nur möglich. Mir war übel und mein Magen brannte. Ich fühlte mich unverstanden, fremd und – verrückt.


Meine Enttäuschung enthüllte die Täuschungen, für die ich monatelang blind zu sein schien. Nicht nur die Gewohnheit ist heimtückisch, nein, auch die Angst vor der Einsamkeit. Schließlich, und dem Himmel sei Dank, war das der Moment, als ich begriff, dass ich mich in dieser überfüllten Bar voller unerfüllter Wünsche auf dem falschen Weg befand – oder war es lediglich der Anfang meines Weges? Jedenfalls begab ich mich seitdem, langsam und mit kleinen wackeligen Schritten, verrückt und mit Glück, auf meine abenteuerliche Reise – auf die Suche nach der Antwort auf die Frage: Wer bin ich?

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